1925 - 1949


1925

In der Grundschule in Kölbingen wird die Sütterlinschrift eingeführt. Die Schrift findet so großen Anklang, dass sie auch in den oberen Jahrgängen geschult wird.

Wohnhaus Eberz (heute: Grabenstraße 2 in Kölbingen).

Die abgebildeten Personen v.l.n.r. sind: Anna, Hilda, Peter und Alois Eberz.

Im Jahre 1925 ist das Rheinland noch durch die Siegermächte des 1 Weltkrieges Frankreich, Belgien und Großbritanien besetzt. Der Kreis Altenkirchen war ohne Besatzung während der Ober- und Unterwesterwald durch die Franzosen besetzt waren.

Wollte die Elisabeth Kreidt geb. Feldes ihre Verwandte in Kölbingen-Schönberg besuchen, brauchte sie einen besonderen Personalausweis.

1926

Im Adressbuch des Westerwaldes von 1926 ist über Kölbingen verzeichnet:

 

 

1926 gründet Johann Steinebach im Ortsteil Möllingen einen Kohlen- und Baustoffhandel. Wegen seines frühen Todes werden die Geschäfte lange Zeit von seiner Ehefrau Elisabeth Steinebach weiter geführt. Im Jahre 1959 geht die Firma an den Schwiegersohn Richard Schmidt über, der am 1. Juli 1960 mit seinem Schwager Eugen Nilges die  Kommanditgesellschaft "Schmidt & Nilges  KG" gründet.

 

Lehrer Rickenberg mit dem 6. bis 8. Schuljahr im Jahre 1926

 

Im Juli 1926 erleidet Pfarrer Kaiser auf dem Weg nach Rothenbach einen leichten Schlaganfall. Bischof Augustinus aus Limburg gewährte ihm einen halbjährigen Urlaub und beauftragt Kaplan Josef Reity zu seinem Vertreter. 

 

Am 24. Dezember feiert die Schule von Kölbingen im Saale Klee ihr Weihnachtsfest, wozu die ganze Gemeinde eingeladen ist. Schon lange vor Beginn der Feier ist der Saal gefüllt. Zwei Theaterstücke werden gespielt und mehrere Gedichte vorgetragen. Die Gemeinde hatte einen kleinen Betrag bewilligt, sodass jedes Schulkind ein Weihnachtsgebäck erhalten kann.

1927

Schönberg-Möllingen ist eine von 23 Pfarreien des Bistums Limburg, die ein Privatpatronat sind. Alle anderen Patronatsrechte, die sich insbesondere auf das Vorschlagsrecht für den neuen Pfarrer beziehen, liegen zu jener Zeit beim Bistum oder beim nassauischen Staat. Die Familie Walderdorf hatte das Patronat für die Schönberger Kirche 1774 erhalten, als sie den Hof Schönberg nach dem Tod des letzten männlichen Erben der Familie Brambach erwarb. Diese wiederum hatten diese Rechte von den Rechtsnachfolgern der zwischen 1234 und 1480 bezeugten Familie von Schönberg erhalten. Möglicherweise waren sie die Erbauer der Kirche und hatten deshalb das Recht über die "Geistlichen" in ihrer Kirche mitzubestimmen. 1927 haben die Grafen von Walderdorff das Patronat niedergelegt.

 

Nachdem Pfarrer Kaiser infolge eines Schlaganfalles in den von ihm erbetenen Ruhestand trat, wurde die freie Pfarrstelle laut bischöflichem Dekret Kaplan Wilhelm Schäfer in Oberlahnstein übertragen.

 

Am 1. Mai 1927 wird der neue Seelsorger in feierlichster Weise am Bahnhof Kölbingen abgeholt, wobei die ganze Pfarrgemeinde regen Anteil nimmt. Nach einer kurzen Ansprache durch Lehrer Rickenberg, wird der neue Pfarrer in feierlicher Prozession zur Kirche geleitet. Reicher Flaggenschmuck und prächtige Ehrenpforten sind unterwegs aufgestellt. In der Kirche begrüßte Pfarrer Schäfer die ganze Gemeinde und dankt für den liebevollen Empfang.

 

Pfarrer Wilhelm Josef Clemens Schäfer ist bis 1951 Pfarrer in Schönberg-Möllingen. 1943 veranlasst er die Umbenennung der Pfarrei in Kölbingen-Möllingen. Diese Änderung hatte er eigenmächtig vorgenommen. Nicht mehr die alte Pfarrkirche, sondern der Pfarrsitz gab ab 1943 den Namen für die Pfarrei Kölbingen-Möllingen. Auch wenn diese Neubenennung ohne Zutun der bischöflichen Behörde geschah, wurden dennoch keine Einwände erhoben.

 

Am Sonntag, 11. September bricht während des Hochamtes in der Scheune des Landwirtes Schmitz ein Großfeuer aus. Fluchtartig verlassen die Männer den Gottesdienst, um zu helfen, Die Feuerspritzen der umliegenden Dörfer waren schnell zur Stelle, konnten aber nicht löschen, da es an Wasser fehlte. Man mußte das Wasser aus dem Graben holen. Die Feuereimer flogen durch die Hände langer Ketten. Mit Jauchefässern wird Wasser angefahren , um das Wohnhaus zu retten.

 

1927 gibt es einen Friedhofswärter, es ist Theodor Olberts, wohnhaft in Kölbingen. Wie es dazu kam, schildert Lehrer Rickenberg in der Schulchronik:

" In einem baufälligen Häuschen wohnte ein Geschwisterpaar alleine. Weil die Leutchen mürrisch und abgeschlossen waren, brauchten diese keinen Besuch zu erwarten und schalteten und walteten nach ihrem Gutdünken. Das Haus verlotterte ganz. Unsauberkeit ließ Ungeziefer aufkommen und die vielen Katzen durften ohne Störung aus dem Milcheimer Nahrung zu sich nehmen. Beide erkrankten und beide wurden von den Schwestern, da sich die Verwandten um nichts kümmerten, in das Krankenhaus geholt. Beide Körper waren schrecklich von Wanzen und sonstigen Quälgeistern zerbissen. Nach einer gründlichen Reinigung, nach frischer Wäsche sollten sie ihren Lebensabend sorgenlos im Kloster beschließen. Das Kloster sollte dafür Universalerbe werden.

Doch nach einigen Jahren starben beide und wurden zu Grabe getragen. Junge Männer der Nachbarschaft schaufelten die Gräber und hielten, wie es so Sitte ist, einen Leichenschmaus. Da keine Erben vorhanden sind und das Kloster alles erhalten hatte sollte bzw. musste es also auch den Schmaus zahlen und so wurde tüchtig gezecht.

5 junge Männer machten an einem Tage eine Rechnung von 160 Mark! Cognac, Wein, Bier, Essen (jeder 1 Pfund Fleischwurst), 100 Zigarren u. 300 Zigaretten ergaben die obige Rechnung. In der Kirche wurden dies Ausschweifung ernstlich gerügt.

Seit dieser Zeit haben wir einen fest angestellten Friedhofswärter, der für ein Grab 6 Mark 30 nimmt. Der erste Totengräber ist Theodor Olberts, wohnhaft in Kölbingen"

 

Auf Veranlassung von Lehrer Rickenberg wird das Wasser des Schulbrunnens in Kölbingen von Medizinalrat Weber untersucht. Lebewesen sind mit bloßem Auge feststellbar. Der Brunnen wird polizeilich geschlossen. Da es nun an gutem Wasser fehlt, trinken die Kinder das mit Jauche verunreinigte Bachwasser, das im Graben an der Schule fließt. Ein Antrag an die Gemeinde um Beschaffung von Trinkwasser wird abgelehnt.

 

Das Jahr 1927 hat für die Gemeinde Kölbingen ein sehr trauriges Ende genommen. Als einige junge Burschen aus Brandscheid den Heimweg von Kölbingen über die Viehweide antraten, wurde nach alter Sitte das kommende Jahr angeschossen. Ein junger Kölbinger, der sich den Burschen aus Brandscheid angeschlossen hatte, probierte seine neue Schusswaffe aus. In der Meinung, dass das Magazin leer sei, senkte er die Waffe und dabei ging der letzte Schuss los. Unglücklicherweise wurde der Sohn des alten Bürgermeisters  aus Brandscheid so schwer getroffen, dass er nach wenigen Minuten verschied. Der unglückliche Schütze hatte seinen besten Freund getötet.

1928

In der Kölbinger Schule wird eine Mädchenfortbildung installiert. Eine Kochlehrküche und eine Waschküche werden eingerichtet.

 

Lehrer Borbonus mit dem 1. bis 3. Schuljahr im Jahre 1928

 

Anfang September brennt mitten im Dorf eine sehr alte Scheune nieder. Das Feuer findet reichlich Nahrung, da die Ernte schon eingefahren ist. Es ist in den letzten Jahren schon der zweite Brand bei der Witwe Bender.

Eine Woche später brennt  bei dem Wilhelm Pistor in Kölbingen wieder eine Scheune. Das Feuer ist jedoch bald gelöscht.

 

 

Im Oktober 1928 sind auf dem Bahnhof in Kölbingen die neuen Glocken für die Pfarrkirche in Schönberg angekommen. In einem feierlichen Zug werden sie zum Bestimmungsort gebracht. Dekan Müller von Salz nimmt in Schönberg die Glockenweihe vor. An Allerheiligen erklingen sie zum ersten mal (fis - a - h).

Zwei Glocken mussten im Krieg abgegeben werden. Monate und Jahre hatte man für die neuen Glocken gesammelt; rund 4000 Mark. Die alte Glocke wurde in Zahlung gegeben. Der Guss erfolgte in Sinzig.

 

Photo: Ulrich Schlag

 

Auf Anregung des Pfarrers Schäfer wird die Josephskapelle in Möllingen in eine Kriegergedächtniskapelle umgewandelt. Der Bildhauerkünstler Hensler aus Wiesbaden versteht es meisterhaft, den Charkter der Josephskapelle zu wahren. Die Bevölkerung ist von dem 1800 Reichsmark teuren Kunstwerk entzückt. Selbst der Wiesbadener Anzeiger veröffentlicht ein Bild des Steinaltares. Bei der Einweihungsfeier am 4. November nehmen Landrat und Schulrat teil.

1929

Im Januar setzte eine enorme Kälte ein, die fast ununterbrochen acht Wochen anhält. Zu Recht spricht man von einer sibirischen Kälte. In vielen Kellern und Ställen wird geheizt, trotzdem erfrieren die meisten Kartoffeln. Eine sehr hohe Schneedecke bedeck die ganze Flur. Die Kälte richtet unter dem Wild großen Schaden an. Sehr viele Hasen und Rehe gehen ein. Die Obstbäume leiden auch unter der außergewöhnlichen Kälte. Manche Bäume sind ganz geborsten.

 

Der Rhein wird vom strengen Winter in Eisfesseln gelegt. Jung und alt wandern von einem Ufer zum anderen. Erfrischungsbuden werden auf dem Eis errichtet und halten Liköre, Wein und heiße Würstchen feil. Doch mit Schrecken erwarteten die Anwohner den Eintritt von Tauwetter. Sprengkommandos sind gebildet, die mit Gewalt den Rhein von der Eisdecke befreien sollen. Holländische, kleine Eisbrecher, flink wie Wiesel, unterstützen die Arbeit der Sprengkommandos. Als Tauwetter eintritt und die Bäche und Flüsse langsam anschwellen, kann das Eis ohne großen Schaden anzurichten, abtreiben.

 

Die Weltwirtschaftskrise verursacht, wie schon 1923 die Inflation, Arbeitslosigkeit und große Not.

 

Im Juli 1929 überfliegt Graf Zeppelin bei seiner Etappen-Umrundung des nördl. Erdballs mit seinem Luftschiff den Westerwald. Für die Kölbinger Bürger ist es eine Sensation, als sie den Zeppelin erblicken.

 

1930

Der Autoverkehr hat zugenommen. Die Schule liegt an einer gefährlichen Kreuzung und es sind schon öfters kleinere Unfälle passiert. Man beschließt eine Umzäunung der Kölbinger Schule.

 

 

Bürgermeister Mathias Schmidt versah 4 Jahre das Amt der Gemeindeverwaltung. Diese Zeit ist nun abgelaufen. Johann Kloft wird Bürgermeister von Kölbingen. Er begleitet das Amt bis zum Jahre 1946.

 

 

 

Johann Kloft

 

 

Ein großes Übel bildete schon seit Jahren der Schulbrunnen. Eine neue Quelle soll gefasst und in die Schule geleitet werden. Doch die Mittel dafür fehlten und der schöne Plan fällt buchstäblich ins Wasser.  Ersatzweise wird der Brunnen umgebaut. Die Leitung hatte der Kreisbaumeister von Westerburg. Am Ende war das  Wasser für den menschlichen Genuss ungenießbar.

Der Befund lautet: 1 ccm ca. 2500 Keime.

Die Schule bleiben also vorläufig ohne Trinkwasser.

 

 Die wirtschaftliche Not wird immer größer. 7 Personen von Kölbingen sind nur noch beschäftigt. Das sind 2 Lehrer, 2 Maurer, 1 Briefträger, 1 Eisenbahnbeamter und 1 Arbeiter. Die Unzufriedenheit des Volkes steigt – man schreit nach Arbeit. Eine Folge der Armut ist der Geburtenrückgang.

 

18 arme hilfsbedürftige Kinder werden im Winter 1930/31 in der großen Pause gespeist. Sie erhalten 1 Brötchen und 2 Tassen Kakao.

1931

In Kölbingen wird ein neuer Sportplatz angelegt. Lehrer Rickenberg verurteilt diese Ausgaben. Er selbst sieht die Versorgung der Schule mit Trinkwasser als vordringlich an.

 

Im Jahre 1931 schreibt der Chronist in der Schulchronik

"Deutschland scheint dem Untergang geweiht zu sein, wenn nicht außergewöhnliche Hilfe kommt. Die Reparationen und die Kriegsschulden sind Schuld daran. Der Präsident der Vereinigten Staaten schenkte uns eine einjährige Atempause, doch musste Deutschland selbst tief einschneidende Maßnahmen ergreifen, um das Vaterland zu retten. Notverordnungen und Abbaumaßnahmen lösen einander ab."

1932

Der damalige Oberwesterwaldkreis mit Sitz in Marienberg wird mit dem Kreis Westerburg zum neuen Oberwesterwaldkreis vereinigt. Westerburg wird Sitz der Kreisverwaltung.

 

Reichskanzler Brünning muß gehen und zum Nachfolger wird Franz von Papen ernannt. Lehrer Rickenberg schreibt dazu in die Schulchronik von Kölbingen:

 

"Wird es Franz von Papen gelingen, Deutschland vor dem Untergang zu bewahren? Viele Deutsche sind über diese Ernennung enttäuscht – sie denken an einen anderen Mann.

 

Die Regierungskrise hält an. Deutschland rollt dem Abgrund zu, wenn nicht ein starker Mann in letzter Minute das unabsehbare Unglück verhütet. Ob das General von Schleicher kann?

Das Volk kennt diesen Mann nicht – es fehlt jetzt schon das Vertrauen. Eine Regierung ohne Vertrauen, ohne Volk, kann kein Volk leiten – er muss eines Tages gehen und wer kommt dann?

 

Das Volk nennt immer nur einen Namen, weißt auf einen Mann, der schon lange kämpft, der Rettung verspricht - ich darf nicht den Namen aussprechen – den Beamten ist Entlassung angedroht - und trotzdem glaube ich, dass dieser Mann doch kommen wird."

1933

Die NSDAP nutzt die Not der Bevölkerung propagandistisch aus, vermehrt ihre Reichstags-Mandate und stellt am 30. Januar 1933 mit Hitler den Reichskanzler.

 

Lehrer Rickenberg kommentiert dies in der Schulchronik auf seine Art:

"Die Regierung von Schleicher ist zurückgetreten. Das Volk ist zu recht gespannt auf den folgenden Reichskanzler.

 

Da spricht der Rundfunk: Der Reichspräsident hat Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Ungeheurer Jubel braust durch Stadt und Land. Alles atmet auf - endlich!

 

Die Freude kommt in fast allen Städten dadurch zum Ausdruck, dass Fackelzüge veranstaltet werden. Wie Pilze aus dem Boden kommen die Hakenkreuzflaggen, die schon lange für diese Ernennung zurück gelegt waren.

 

Reichskanzler Adolf Hitler hat das deutsche Volk zur Reichstagswahl am 5. März aufgerufen. Die Wahlbeteiligung ist sehr stark. Leider ist in unserem Dorf eine Aufwärtsbewegung der Marxisten nicht wegzuleugnen. Die Reichstagswahl kennzeichnet so auch meine Befürchtung, dass die Marxisten einen erheblichen Zuwachs entfalten werden. Es wurden in Kölbingen 76 marxistische Wahlzettel abgegeben. Der 5. März ist ein schwarzer Tag für die Gemeinde Kölbingen geworden.

 

Mit großer Spannung erwartet man das vorläufige Endergebnis der Reichstagswahl.

 

Als dann der Ansager im Rundfunk von 17 Millionen Stimmen der NSDAP sprach, da bricht ein Jubel aus, der fast keine Grenzen kannte. Das Volk hat entschieden und will von Reichskanzler Adolf Hitler geführt werden. Wir haben das feste Vertrauen, dass die Rettung der deutschen Vaterlandes gelingt.

 

Aus Anlass des Wahlsieges müssen alle öffentlichen Gebäude die deutsche Flagge hissen."

 

Der 1. Mai 1933 wird als Tag der Arbeit deutscher Nationalfeiertag. Am Abend vorher finden in allen Teilen der Dörfer des Kirchspiels Feiern statt. Gewaltig ist der Festzug, zusammengestellt von der NSDAP Ortsgruppe Caden, wozu alle Dörfer des Kirchspiels gehören. Der Zug, aus den verschiedensten Handwerker-gruppen, Bauernorganisationen und Reitergruppen zusammengestellt, ist ca 2,5 km lang. Ehrenpforten mit Transparenten, ein Meer von Fahnen umsäumen die Straßen, schmücken die Häuser. Der Zug bewegt sich zur Kreisstadt nach Westerburg.

Lehrer Rickenberg kommentiert:

"So etwas hat der Westerwald noch nicht gesehen. Die Begeisterung ist grenzenlos.

 

Pfarrer Kaiser ist verstorben. Fast die gesamte Kirchengemeinde gibt ihm am 5. Mai 1933 das letzte Geleit.

1934

Auf Anordnung der Regierung fällt an Samstagen der Unterricht für die Kinder aus, die der Hitlerjugend angehörten. Für andere Schüler/innen der Oberstufe ist nationalpolitischer Unterricht. Diese Verordnung wird 1936 wieder aufgehoben.

1. bis 4. Schuljahr 1934

1935

 

In der Gaststätte des Wilhelm Zirfas ("Heidrichs") treffen sich regelmäßig Peter Kloft, Wilhelm Braun und Lehrer Rickenberg zu einer Kartenspielrunde.

 Am 6. Januar 1935 beschließt der Gemeinderat den Bau einer Wasserzisterne und eines Gerätehasuses. 500 Reichsmark werden von der Nassauischen Brandversicherungsanstalt als Prämie gegeben . Weitere 1500 Reichsmark sollen von dieser als Darlehen zu 3 Prozent aufgenommen werden. Die Restfinanzierung soll durch Holzfällung getätigt werden.

 

Bis 1935 schlagen alle Versuche, das Trinkwasser in der Schule genießbar zu machen, fehl. Nachdem ein Kind im offenen Brunnen ertrunken ist, wird dieser vorschriftsmäßig in Ordnung gebracht. Vom Dorfbrunnen werden Rohre zur Schule geleitet und direkt mit der Pumpe verbunden. Nach jahrelangem Kampf hat die Schule endlich Trinkwasser.

 

Postkarte von Kölbingen aus dem Jahre 1935

 

Die Mädchen der Haushaltsschule des Klosters in Möllingen im Jahre 1935. Im Kloster war neben der Krankenpflege auch noch eine Haushaltsschule und eine Industrieschule für junge Mädchen eingerichtet gewesen. In der vorderen Reihe, dritte von rechts ist Irene Kloft, rechts daneben Luzi Schmitz (geb. Neu), dahinter kniend 1. von rechts Gerdi Hebgen, kniend 3. von links Paula Klee (geb. Neu). Hintere Reihe, 2. von links, Hedwig Schäfer.

Dieses Schulbild mit Lehrer Rickenberg wurde am 7. September 1935 anläßlich eines Wandertages zur Dornburg gefertigt und zeigt das 5. bis 8. Schuljahr.

Lehrer Rickenberg wird am 1. Oktober 1935 an die zweiklassige Volksschule nach Lorchhausen versetzt. Er übernimmt hier die erste Lehrerstelle.

1936

Am 7. März 1936 marschierte die deutsche Wehrmacht in die nach Art. 42/43 des Versailler Vertrages entmilitarisierte Zone im Rheinland ein. Lehrer Albert Borbonus schrieb dazu in die Schulchronik von Kölbingen: " Das schwerwiegendste Ereignis des Jahres 1936 war die Wiederbewaffnung der entmilitarisierten Rheinlandzone am 7. März 1936. Durch diese mutige Tat des Führers wurde hier im Westen ein neuer Zeitabschnitt eingeleitet."

 

 In der Gemeinderatssitzung vom 4. April 1936 verabschiedet der Gemeinderat eine neue Backordnung.

Derjenige, der das Backhaus zum Brotbacken benutzt, hat eine Backgebühr von 2 Reichsmark pro Jahr zu entrichten. Die Kuchenbackgebühr beträgt jährlich 1,50 Reichsmark. Kinderreichen Familien kann auf Antrag Ermäßigung zugesprochen werden.

 

Zu diesem Bild schrieb der Lehrer Albert Borbonus in die Schulchronik von Kölbingen:
"Am Dienstag den 19. Mai 1936 kam eine Kompanie des Inf. Reg. 81 nach Kölbingen und wurde in unserer Gemeinde untergebracht. Die Bevölkerung empfing die Soldaten. Die unterste Schuljugend hatte sich schon am 18. Mai mit den Quartiermachern bekanntgemacht und wurde von ihnen fotografiert. Am anderen Morgen verließ uns wieder die Kompanie, um in Langenhahn verladen zu werden."

 

Kirmes 1936 in der Gaststätte des Wilhelm Zirfas (Heidrichs) Mit der Geige spielt Alwin Nilges und das Akkordeon bedient Willi Birk

1937

Mit dem Reichsflaggengesetz wurde 1935 die Hakenkreuzflagge zur Reichs- und Nationalflagge sowie zur Handelsflagge erklärt. Das Hissen von Hausfahnen an den Nationalfeiertagen oder bei sonstigen Anlässen war nicht verpflichtend. Wenn dies jedoch unterblieb, wurde es als Akt demonstrativer Verweigerung gewertet. Gegen den katholischen Pfarrer Schäfer in der Pfarrei Schönberg-Möllingen wurde wegen Vergehens gegen das Flaggengesetz, Nichtbeflaggung der Kirche am 18.1.1871 (Reichsgründungstag) unter dem Aktenzeichen 3Js115/37 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Pfarrei Schönberg-Möllingen erhält am 1. Mai 1937 erstmals eine Kaplanstelle. Diese wird am 31. Januar 1980 wegen Priestermangels wieder aufgehoben. Letzter Kaplan ist von 1979 bis 1980 Wilbert Dornoff.

 

 Die Kreisbildstelle überreicht der Schule ein Schmalfilmgerät. Dies soll auch den Schulen in Brandscheid, Kaden, Härtlingen und Sainscheid zur Verfügung stehen. Die Filmvorführungen sind für die Kinder immer ein großes Erlebnis.

 

Im Juli 1937 kommt Walter Kilbinger als zweite Lehrkraft nach Kölbingen an die Schule.

 

 

 

 

Der Jungpriester Gottfried Kuch aus Möllingen feiert in der Pfarrkirche auf dem Schönberg seine Primiz.

1938

Durch die Anschaffung von Sportgeräten erfährt der Turnunterricht eine starke Belebung. Bälle, Wurfkeulen, Eisenkugeln, Stäbe und Messband werden für insgesamt 63 Mark angeschafft.

 

Der Lehrer kann erreichen, dass im Laufe des Sommers fast alle Kölbinger Kinder Turnschuhe haben. Mit Turnkleidung sind fast alle Jungen ausgerüstet, die Mädchen zur Hälfte. Einige besitzen sogar einen Trainingsanzug. Bis dahin war Turnkleidung völlig unbekannt.

 

Zu dem Bild macht Lehrer Borbonus in der Schulchronik von Kölbingen nachfolgenden Eintrag:
Ähren und Bucheckern lesen für die NSV (Nationalsozialistische Volkswohl-fahrt) -
Auch in diesem Sommer gingen die Kinder wieder Ähren lesen. Das Ergebnis betrug fast 1 Zentner Körner, die der N.S.V. zur Verfügung gestellt wurden. Ebenso konnten wir dort fast 35 Pfund Bucheckern abliefern.

 

Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wurde nach einem erfolglosen Versuch, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) gleichzuschalten, die Organisation aufgelöst und verboten. An ihrer Stelle richteten die Nationalsozialisten die NSV ein.

 

 

Für den nach Oberbrechen versetzten Lehrer Albert Borbonus kommt nach den Herbstferein am 10. Oktober 1938 Frau Erna Becker als Lehrerin nach Kölbingen. Sie war am 23. Oktober 1901 in Rüdesheim geboren und ging auch dort zur Volksschule. 1916 besucht sie das Lehrerinnenseminar in Eltville. Nach mehreren Hospitantenstellen kommt sie als Hilfslehrerin in den Westerwald.

1933 wird sie Mitglied des NSLB (Nationalsozialistischer Lehrer Bund) und der NS-Frauenschaft.

In Heiligenroth legt sie die zweite Lehrerprüfung ab.

Am 1. Oktober überträgt ihr die Regierung die freigewordene Stelle in Kölbingen.

 

1938 mußte in jedem Dorf auf Anregung der Regierung ein Dorf- und Hausbuch angelegt werden. Das Buch sollte keineswegs die Schulchronik ablösen, vielmehr das gesamt dörfliche Leben erfassen.

Hierzu Schreibt Lehrer Rickenberg in der Schulchronik:

"Am 23 November 1938 veranstaltet die Deutsche Arbeitsfront, die sich für eine gute Ausgestaltung der Dorf- und Hausbücher ganz besonders einsetzt, im Saale Klee einen Dorfgemeinschaftsabend. Durch Lied- und Gedichtsvorträge, letztere meistens in der Gemeindemundart, tragen die Schulkinder den wesentlichen Anteil zum Gelingen des Abends bei. Auch die Arbeitsmaiden aus Kaden konnten mit einigen guten Darbietungen aufwarten. Den Höhepunkt des Abends bildeten die Ansprache des Ortsgruppenleiters  Gaus, in der er der versammelten Dorfgemeinschaft den Zweck des Buches  erläuterte.

Am Ende seiner Ausführung überreichte er mir das Schul- und Hausbuch. damit war die Führung des Buches mir anvertraut."

 

1939

Von einem tragischen Unglück wurde die Familie Zirfas in Kölbingen betroffen. Während die Mutter mit Wäsche bügeln beschäftigt war, stieg ihr kleines Kind auf einen Stuhl und erwischte die Essigessenzflasche. Es trank daraus und erlitt schwere innere Verbrennungen. Obwohl man sofort für Hilfe sorgte, war das Kind nicht mehr zu retten. Die Aufregung löste bei der Frau eine vorzeitige Entbindung aus. Auch das Neugeborene konnte nicht am Leben erhalten werden.

Sechs oder sieben SS-Männer unter der Führung von Alfred Naujocks fingieren am 31. August 1939 einen polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz und liefern damit den Vorwand für den Kriegsangriff auf Polen am folgenden Morgen.

 

Am 1. September 1939 überfällt Deutschland Polen. Der II. Weltkrieg hat begonnen.

 

Am gleichen Tage wird mit der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen im nationalsozialistischen Großdeutschen Reich das Hören ausländischer Radiosendungen strafbar, für das Verbreiten abgehörter Nachrichten wird in besonderen Fällen der Tod angedroht. Die verbotenen Sender werden als Feindsender bezeichnet.

 

Der Krieg dauert bis 1945. Er fordert etwa 62 Millionen Tote, darunter rund 27 Millionen Soldaten. Eine schreckliche Dimension gewinnt er vor allem durch das Maß der Einbeziehung der Zivilbevölkerung, die sich dem Terror der Eroberer, Vertreibung und Mord sowie dem Bombenterror ausgesetzt sieht. Neben der unvorstellbar hohen Zahl von Toten bewirkt der II. Weltkrieg, dass rund 20 Millionen Menschen ihre Heimat verloren haben.

 

1939 findet wieder eine Sammelaktion für den NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) statt. Die Kinder sammeln Taubnesseln- und Kornblumenblüten, Himbeerblätter und Hagebutten.

 

1940

Winter 1939/1940

Ein militär. Kettenfahrzeug steht in der Kreuzstraße.

Im Hintergrund die Gebäuden Schäfer u. Schnee.

März 1940

Auf der Hauptstraße sind Kradfahrzeuge der Wehrmacht unterwegs.

Im Hintergrund die Gebäuden Schnee, Schäfer, Höhn, Schäfer/Sassenrath

Ohne Kriegserklärung marschieren deutsche Truppen in die neutralen Länder Dänemark und Norwegen ein

1941

Die Schulkinder aus Möllingen müssen nach Kaden in die Schule.

 

In der Gemeinderatssitzung vom 14 April 1941 wird beschlossen, dass Rudolf Eulberg für die Pflege des Gemeindebullen ab dem 1. April 1941 eine jährliche Entschädigung von 350 Reichsmark erhält.

 

Dem Peter Schäfer aus Möllingen soll die Gewerbesteuer für die Jahre 1939 u. 1940 auf 60 Reichsmark ermäßigt werden, da zwei Söhne zur Wehrmacht einberufen wurden.

Alte Schule in Kölbingen (Aufnahmejahr 1941)

1943

Unter Pfarrer Wilhelm Schäfer wird die Pfarrei Schönberg-Möllingen stillschweigend in Kölbingen-Möllingen umbenannt. Auch wenn diese Namensänderung ohne Zutun der bischöflichen Behörde geschah, hielt sie sich, ohne dass dagegen Einspruch erhoben wurde. Recherchen können diesen Umstand aber nicht klären. Wahrscheinlich sind es praktische Gründe die dazu führten; nicht mehr die alte Pfarrkirche, sondern der Pfarrsitz wahr ausschlaggebend für den Namen.

1944

Am Himmel über Kölbingen sieht man Im Februar 1944  fünf Fallschirme niedergehen. Es sind kanadische Soldaten. Eine Person muß aus den Bäumen der "Dickheck" befreit werden, wo sie sich mit dem Fallschirm verfangen hat. Die kanadischen Soldaten werden zum Bürgermeister Johann Kloft verbracht und vom "Kölbinger Volkssturm" bewacht. Soldaten der Luftwaffe, die in Ailertchen ihren Einsatzhorst haben, holen sie später ab. Bei einem Luftangriff war die Maschine der Kanadier über Schweinfurt getroffen worden. Sie mussten ihr Flugzeug  aufgeben und sich mit dem Fallschirm retten.

 

 

Im Frühjahr ist eine verstärkte Lufttätigkeit der Alliierten zu beobachten. In großer Höhe ziehen die englischen und amerikanischen Bomber jetzt nicht mehr nur bei Nacht sondern auch am hellen Tag über Kölbingen hinweg. Das unheimliche Dröhnen der Motoren dauert manchmal nur mit kurzer Unterbrechung stundenlang an. Zwischendurch hört man das Knattern der Bordwaffen von angreifenden Jägern, das ferne Dröhnen abgeworfener Bomben und abgestürzter Maschinen. Die gefährlichste und aufregendste Bedrohung der Landbevölkerung während des ganzen Krieges sind die „Jabos“ (Jagdbomber). Die schnellen und wendigen Flugzeuge kommen meist einzeln oder zu zweit und greifen jedes Ziel an. Jedes Auto, jedes Fuhrwerk, ja selbst einzelne Fußgänger und Bauern bei ihrer Feldarbeit werden durch die Jabos beschossen. Man kann sich bei Tage fast nicht in`s Freie wagen. Die Kölbinger Schulkinder können ihren Schulweg nicht mehr ohne Lebensgefahr gehen, sie werden deshalb im Winter 1944/1945 mehrere Wochen im Saale Reichert unterrichtet. Aber auch schon vorher musste der Unterricht oft wegen Luftgefahr unterbrochen werden. Wenn die Kinder wegen der unmittelbaren Gefahr nicht mehr nach Hause gehen konnten, mussten sie unter Führung des Lehrerpersonals die Kellerräume aufsuchen. Im Jahr 1943 war der Schulkeller als Luftschutzraum ausgebaut worden. Für die Einwohner des Oberdorfs war im „Berg“ ein Stollen mit 2 Notausgängen gegraben worden.

 

Im Herbst 1944 hört man in Kölbingen deutlich den Geschützdonner von der Front in Aachen.

 

Die Zahl der Flüchtlinge aus den zerbombten Stätten und Evakuierten aus den Kampfzonen nimmt zu. 1944 muss auch die Schule von Kölbingen belegt werden. Zwei Räume werden mit Bretterwänden zu Wohnungen abgeteilt. Zeitweise wohnen darin 4 Familien mit 16 Personen. In Möllingen, im Saale Reichert, wird weiter unterrichtet.

 

Gaststätte Reichert mit Saalbau

1945

Zu Beginn des Jahres 1945 gibt es wieder Einquartierungen in Kölbingen. Die Front ist der Heimat schon sehr nahe gekommen.

 

Am 5. März 1945 vermerken die Geheimen Tagesberichte der deutschen Wehrmachtführung im 2. Weltkrieg 1939 - 1945 unter der Rubrik "Luftlage Reich" u.a. folgende Meldung über einen Bombenangriff im Westerwald:

„Westerburg: 80 Sprengbomben. Strecke Westerburg – Hergenroth für 2 Tage gesperrt“

 

Viele Westerburger Einwohner vermuteten, dass sich dieser Luftangriff gegen eine auf der Marienhöhe postierte und durch den Feind erfolgreich angepeilte Funkstelle der Wehrmacht gerichtet hatte.

Abweichend zu dieser Vermutung hielt das Kriegstagebuch des ArtRgt. (mot) z.b.V. 901 - dieses Regiment führte in den ersten Monaten des Jahres 1945 den V2-Einsatz im Westerwald durch - folgende Eintragung fest:

"Rege Überflüge über dem Einsatzraum durch Bomber und Jaboverbände. 25 Maschinen Bombenabwurf nördlich von Westerburg. Angriffsziel Eisenbahnbrücke, 100 Bomben weit verstreut, Brücke nicht getroffen. Flak keine Gefechtstätigkeit, da Flughöhe über 3.000 m."

 

In Wirklichkeit war Westerburg nur ein Ersatzziel gewesen.

 

Für die Vormittagsstunden hatten die Einsatzplaner der 9. Bombardment Division (9. USAAF) u.a. die Zerstörung von Eisenbahnanlagen in Wetzlar vorgesehen, wozu die 323. und die 394. Bombardment Group - beide mit zweimotorigen Bombern des Typs B-26 Marauder ausgestattet - eingeplant waren. Während die Maschinen der 394. Bombardment Group ihr Primärziel wie geplant angreifen konnten, bekam die der 323. Bombardment Group zugeteilte Pathfinder-Maschine der 1. Pathfinder Squadron über Wetzlar kein Signal des Funknavigationssystems, so dass der Gruppenführer entschied, nun das geplante Sekundärziel, den Eisenbahnknotenpunkt in Westerburg, anzufliegen.

 

Bei diesem Angriff trafen auch einige Bomben das Gebiet der Gemeinde Kölbingen in der Möllingswies. Der durch die Detonation verursachte Luftdruck deckte mehrere Dächer in der Gemeinde ab und beschädigte auch andere Gebäudeteile. Am 16. März werden Kölbingen und Gershasen wieder von Bomben getroffen.

 

Am 22., 23. und 24. März ziehen völlig abgekämpfte Truppen der Deutschen Wehrmacht durch Kölbingen, d.h., sie rennen um ihr Leben. Was an Ausrüstung entbehrlich erscheint, bleibt liegen. Die ganze Landschaft, besonders die Wälder, sind mit Heeresgut übersäht. Große Mengen von Kriegsgerät, hauptsächlich Kraftfahrzeuge, sind im Geisenwald zurückgelassen worden. Hier holen sich die Kölbinger, was ihnen irgendwie brauchbar erscheint: Teile von Autos, hauptsächlich Räder mit Reifen, Benzin, Polstersitze, Decken, Werkzeuge aller Art. Im Saale Reichert in Möllingen ist von der deutschen Wehrmacht ein Verpflegungslager errichtet worden. Da die beträchtlichen Lebensmittelvorräte nicht mehr rechtzeitig abtransportiert werden können, überlässt sie der zuständige deutsche Offizier der einheimischen Bevölkerung. Hauptsächlich sind es Fleischkonserven und Zucker, Nahrungsmittel, die schon seit Jahren sehr knapp sind und deshalb von den Einwohnern mit großem Eifer in jeder erreichbaren Menge nach Hause geschleppt werden. Noch während die Bevölkerung mit dem Bergen dieser Köstlichkeiten beschäftigt ist, hat der letzte deutsche Soldat Kölbingen in ostwärtiger Richtung passiert.

 

Am 26.03.1945 kommen die ersten Amerikaner ins Dorf.

 

Kurz vorher werden in der Gemarkung Kölbingen zwei Leichen gefunden. Es handelt sich um zwei unbekannte Polen, die in Kölbingen zur Zwangsarbeit abgestellt waren. Alliierte Kampfflugzeuge sollen die beiden beschossen und getötet haben. Im Ort in Kölbingen wird aber erzählt, dass die beiden Personen von Kölbinger Nationalsozialisten erschossen worden waren, ehe die Amerikaner Kölbingen erreichten.

 

Im Rahmen der Umgestaltung des Friedhofes beschloss im Jahre 2014 der Gemeinderat von Kölbingen, die Gebeine der unbekannten Polen zusammen mit Deutschen Kriegstoten in einem Grab bei der Alten Kirche in Schönberg beizusetzen.

Photo: Ulrich Schlag

 

Von den Amerikanern benutzte Karte beim Einmarsch 1944 der Aliierten in den Westerwald.

Mit dem Ankommen der Amerikaner gibt es über eine Woche lang fast tägliche neue Einquartierungen von amerikanischen Soldaten. Schon einige Tage vor dem Einrücken der Amerikaner war die Schule geschlossen worden. Nun werden die Schulräume mit Truppen belegt. Leider gehen dabei fast alle Bücher, Lehr- und Lernmittel verloren.

 

Deutschland liegt nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 weitgehend in Trümmern. Die Überlebenssicherung nach dem Krieg kennt keine humanistischen Ideale. Männer im wehrfähigen Alter sind in Gefangenschaft, vermisst oder gefallen. Auch fünf Sänger des Männergesangvereins kehren aus dem Krieg nicht zurück, darunter auch der letzte Dirigent Willi Klee.

 

Am Ende des Dritten Reiches befanden sich acht Millionen Deutsche als Kriegsgefangene im Gewahrsam der Sieger des Zweiten Weltkrieges. Die letzten kehrten 1956 aus sibirischen Lagern zurück. Mindestens 13 Millionen Menschen hatten durch Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, nicht durch Kriegshandlungen, ihr Leben verloren, unter ihnen sechs Millionen Juden, mehr als drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene, mindestens 2,5 Millionen Polen, Hunderttausende Zwangsarbeiter, viele andere wie Sinti und Roma und Angehörige fast aller anderen europäischen Nationen. Mehr als 17 Millionen gefallene Soldaten auf alliierter, über vier Millionen auf deutscher Seite gehören zur Bilanz des Dritten Reiches. Vier Millionen verloren ihre Heimat in den deutschen Ostgebieten, Flucht und Vertreibung forderten außerdem Todesopfer in Millionenhöhe. Insgesamt sind weit über 50 Millionen Tote das Ergebnis nationalsozialistischer Herrschaft in Europa.

 

Am 15. Juni kommt Lehrer Kilbinger heim. Er schreibt in die Schulchronik:

 

"Als ich am 15. Juni aus amerikanischer Gefangenschaft zurückkehrte, bot das Schulhaus einen trostlosen Anblick.

Eine Anzahl von Fensterscheiben war zerbrochen, Reste der Verdunkelungen hingen in Fetzen zum Fenster heraus, der Drahtzaun war niedergetreten, meterhoch wucherten rings um das Schulgrundstück die Brennnesseln.

Der kleine Schulsaal sowie die Räume der Berufsschule dienten noch als Wohnung, der große Saal war eine regelrechte Rumpelkammer, in der alles Mögliche abgestellt worden war, nur Schulmöbel suchte man vergebens. Die Schulbänke lagen irgendwo im Dorfe, sogar zum Teil im Freien; niemand kümmerte sich darum.“

 

Im August 1945 wurde der Oberwesterwaldkreis der französischen Besatzungszone zugeteilt. Infolgedessen schied das Kreisgebiet aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden aus und wurde dem Regierungsbezirk Koblenz unterstellt. Im Frühjahr 1946 wurde der Regierungsbezirk Montabaur aus den Kreisen Oberwesterwald und Unterwesterwald, Unterlahn und St. Goarshausen neu gebildet.

 

Wenige Monate nach Kriegsende muss die Pfarrei einen großen Gebäudeschaden verschmerzen. Am 7. August 1945 wird das Pfarrhaus in Möllingen ein Raub der Flammen. Das 300 Jahre alte Fachwerkhaus steht an einem heißen Sommertag nachmittags um 15:00 Uhr plötzlich in Flammen. Das Gebäude brennt bis auf die Grundmauern nieder. Nur das Mobiliar kann gerettet werden.

 

Am 1. Oktober 1945 wird die Schule wieder eröffnet und ist mit 58 Kindern einklassig. Der Unterricht ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. Es herrscht ein neuer Zeitgeist. Alle Schulbücher, die mehr oder weniger mit nationalsozialistischem Gedankengut versetzt waren, sind von der Militärregierung verboten worden. Es fehlt an allem.

1946

Im Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland wurde am 30. August 1946 der Verordnung Nr. 57 veröffentlicht. Sie gilt als die Geburtsstunde von Rheinland-Pfalz. Aus der Pfalz und den Regierungsbezirken Trier, Koblenz, Mainz und Montabaur sollte das neue Land bestehen, ein neu zusammengewürfeltes Land aus ehemaligen Gebieten von Bayern, Preußen und Hessen.

Der für Kölbingen zuständige Regierungsbezirk Montabaur setzt sich aus den Kreisen Ober- und Unterwesterwald, Unterlahn und St. Goarshausen zusammen. Es sind die Kreise, die zur französischen Besatzungszone auf der rechten Rheinseite gehörten und aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden ausschieden.

 

In der Gemeinde Kölbingen steht ein Bürgermeisterwechsel an. Johann Kloft war 1930 Bürgermeister geworden und hatte während des Nationalsozialismus die Gemeinde geschickt über die schwere Zeit gebracht.

Die Wahl des Bürgermeisters fiel einstimmig auf das Gemeinderatsmitglied Paul Bender. Bei der geheimen Wahl des Beigeordneten entfielen 4 Stimmen auf Johann Bast und 2 Stimmen auf Mathias Schlag.

 

Dem Winter 1946/1947 sieht man allgemein mit größter Sorge entgegen. Die Lebensmittelzuteilungen für Normalverbraucher sind völlig unzureichend. So hat es z. B. im November 46 pro Person 70g Butter gegeben. Darüber hinaus stehen keinerlei fetthaltigen Nahrungsmittel wie Öl, Schmalz oder Margarine zur Verfügung. In den Monaten Dezember, Januar und Februar, also ein viertel Jahr lang !!, gab es nicht einmal Butter. Diese katastrophale Ernährungslage muss sich auf alle, besonders aber auf unsere Kinder verhängnisvoll auswirken.

1947

Schon in den Jahren darauf wird das neue Pfarrhaus wieder errichtet. Beim Neubau ist allerdings ein Todesfall zu beklagen. Beim Fällen der Bäume für den Dachstuhl des neuen Gebäudes wird Theodor Olberts von einer Tanne erschlagen und verstirbt kurz darauf im Krankenhaus Montabaur.

 

Das Jahr 1947 ist besonders bemerkenswert wegen seines extremen Witterungs-Charakters. Einem drei Monate ununterbrochenen Winter folgte ein seit Menschengedenken nicht dagewesener langer,heißer und trockener Sommer. Von Juni bis Ende Oktober sind keine nennenswerte Niederschläge zu verzeichnen. Eine ausgesprochene Mißernte in ganz Westdeutschland ist die unausbleibliche Folge. Die durchweg schweren Böden unserer Gemarkung werden von der Trockenheit nicht ganz so stark betroffen. Dem kommenden Winter sieht man mit größter Sorge entgegen. Es fehlt an allem. Von Kartoffeln und Brot für die Menschen, von Futter für das Vieh. Den Normalverbrauchern werden für den kommenden Winter 2 Zentner Kartoffeln bewilligt.

 

Die Not wird immer größer. Amtlich bestehen im Großen und Ganzen noch die Preise aus der Vorkriegszeit. Jedoch kann man für sein Geld kaum noch etwas kaufen. Wer Schuhe, Kleider, einen Kochtopf oder irgendwelchen wichtigen Hausrat braucht, muss neben dem Geld Lebensmittel – am begehrtesten sind Butter, Speck, Eier, Getreide, Obst und Kartoffeln – geben. So kosten z. B. Ein paar Schuhe 5 – 6 Pfund Fett. Dagegen bekommt ein Lehrer für sein ganzes Monatsgehalt (360,-- RM) noch nicht einmal zwei Pfund Fett.

 

An Heiligabend 1947 kehrt Fritz Schlag aus russischer Kriegsgefangenschaft heim. Er war am 3. Mai 1945 in Berlin im Keller eines zerbombten Hauses von russischen Soldaten gefangen genommen worden . Seine Entlassung erfolgte am 18. Dezember 1947 aus einem Lager bei Jarzewo bei Smolensk.

 

Aus der Gefangenenakte geht hervor, dass er in den Lagern Nr. 401, Abteilung 4, Swischtschewo, Kreis Jarzewo, Gebiet Smolensk / Russland und Lager Nr. 56, Babrujsk, Gebiet Mogilew, Weißrussland aufgelistet war.

 

Die Gefangenenlager hatten viele Nebenlager mit je ca. 300 deutschen Kriegsgefangenen. Die Nebenlager waren wiederum in Teillager unterteilt, darunter 39 Torflager, Isolationslager, Gefängnisbunker und Lazarettlager. Die Unterkünfte bildeten Baracken u. Ruinenhäuser.

Die Gefangenen verrichteten Straßenbauarbeiten, Waldarbeiten, Kolchose- und Industriearbeiten. Misshandlungen waren an der Tagesordnung.

Es gab kaum Medikamente, völlig unzureichende Ernährung und totale Überbelegung sowie schlechte Unterbringung im Lazarett. Anfangs starben täglich 15 Personen. Später betrug die halbjährliche Todesrate 1055 Tote. Häufigste Todesursache war Unterernährung, Fleckfieber und Ruhr. Anfangs auch willkürliche Erschießungen.

Die toten Gefangenen wurden auf normalem Ödland mit Birkenkreuzen beerdigt. Beschriftung erfolgte auf Holzplatten. Die Registrierung der Tote erfolgte durch den Lagerführer und den politischen Offizier.

 

1948

Gemeinderatsbeschluß vom 19. März 1948

Die Gemeinde Kölbingen verpachtet auf einstimmigen Beschluß der Gemeindevertretung das Sportplatzgelände an den Sportverein Rot-Weiß Kölbingen. Die Pachtzeit beginnt am 1. April 1948 und endet am 1. April 1949. (1 Jahr). Der Pachtpreis beträgt 20 Reichsmark, zahlbar am Anfang der Pachtzeit. Der Sportverein Schwarz-Weiß Brandscheid hat das Recht, solange Mitglieder aus der Gemeinde Kölbingen diesem Sportverein angehören und über keinen Sportplatz verfügen , ebenfalls auf dem Sportplatz Spiele auszutragen. Der Sportverein Schwarz-Weiß Brandscheid hat die Hälfte des Pachtzinses, sowie die Hälfte jeder Unterhaltskosten an den Sportverein Rot-Weiß Kölbingen zu zahlen. Die ordnungsgemäße Unterhaltung des Sportplatzes obliegt dem Sportverein Rot-Weiß Kölbingen.

 

Das wichtigste Ereignis des Jahres 1948 ist die Währungsreform. Am 20. Juni wird die völlig entwertete Reichsmark außer Kurs gesetzt. An ihrer Stelle tritt die Deutsche Mark (DM). Auf dem Bürgermeisteramt erhält jeder Einwohner gegen Abgabe von 60 Reichsmark zunächst 40,-- (später noch einmal 20,-- DM) „Kopfgeld“. Alle anderen Geldbestände sind gesperrt. Der Erfolg der Geldreform übersteigt alle Erwartungen. Konnte man bisher außer den wenigen, auf Karten zugeteilten Lebensmittel, für Geld überhaupt nichts kaufen, so änderte sich das buchstäblich über Nacht. Schon am Tage nach der Geldreform kann man in Westerburg, Montabaur und Limburg in den Schaufenstern wieder Waren erblicken, die zum Teil seit 9 Jahren aus dem öffentlichen Handel verschwunden sind. Nun können die Kinder auf einmal wieder alle die so lang entbehrten Schulutensilien wie Tafel, Griffel, Hefte, Bleistifte und vieles mehr für Geld zu normalen Preisen kaufen.

 

Drei Jahre nach Kriegsende sind die gröbsten Versorgungsschwierigkeiten endlich überwunden. Die Währungsreform setzt der wirtschaftlichen Not in Deutschland ein kaum erhofftes Ende. Die Menschen haben neue Hoffnung, Zuversicht und Mut, sich einer Neuentwicklung mitgestaltend anzuschließen. Vereinstätigkeit und entsprechende Aktivitäten bedürfen der Genehmigung der Besatzungsmacht. Am 7. Dezember 1948 wird der Dachverband, der Deutsche Sängerbund Rheinland-Pfalz, von den französischen Militärbehörden zugelassen.

 

Die Schule in Kölbingen hat wieder zwei Unterrichtsklassen. In der Küche wird eine Wasserpumpe angeschlossen.

1949

Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz der frisch gebackenen Bundesrepublik Deutschland (BRD) verabschiedet. Ein langer mühsamer Weg durch viele Instanzen ist abgeschlossen.

 

Edmund Jung eröffnet in der Waldstraße in Kölbingen ein neues Friseurgeschäft. In den gleichen Räumen betreibt die Ehefrau Elli einen Kurzwarenladen.

 

Im Sommer 1949 wird auch wieder der Drahtzaun an der Schule hergerichtet. Bei weiteren Instandsetzungsarbeiten wird festgestellt, dass das Balkenlager unter den Fußböden der beiden Klassen vollständig faul ist. Es besteht Einsturzgefahr. Für die Zeit der Reparatur werden die Kinder in der Berufsschule unterrichtet.